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Old 15-02-2011, 13:10   #4
Katrin
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Ich denke es gibt nicht DIE Erziehungsmethode. Für mich ist Erziehung viel mehr als dem Hund „sitz“ beizubringen oder ihn davon abzuhalten einen Fremden anzubellen. Für mich ist Erziehung das „formen“ des gesamten Hundes. Ich vergleiche das ganze jetzt mal mit einer Gewichtsreduktion weil es mir irgendwie passend erscheint. Man kann nicht pauschal sagen jemand mit 170 cm muss jetzt 55kg wiegen, weil für jeden etwas anderes wichtig ist. Man kann nicht pauschal sagen dass jeder mann jetzt 2 kg im Monat abnehmen muss, weil jeder anders ist. Es genügt nicht jemandem beizubringen, dass Pommes mehr Kalorien haben als Kohlrabi wenn er dann die Currywust der Gurke vorzieht. Man muss sich auf den Menschen und seine Lebenssituation einstellen, es kann sich nicht jeder alles leisten. Das allerwichtigste ist aber, dass man versteht warum der Mensch zu viel isst oder ob er vielleicht sogar krank ist?
Damit eine Diät funktioniert bringt es nicht dem Menschen nur eine Kalorientabelle oder eine Ernährungsplan vorzulegen (auf den Hund übertragen ein Buch in dem steht wie ich meinem Hund „sitz“ oder „platz“ beibringe). Erkennt der Mensch nicht, warum er übermäßig isst wird er entweder nicht abnehmen, oder aber er fängt statt dessen an an den Fingernägeln zu kauen. Er kauft sich dann ein neues Buch „wie höre ich auf mit Fingernägel kauen“ und kämpft dann wieder gegen das neue Symptom“. (der Hund kann jetzt „sitz“ aber knurrt andere Menschen an). Da die Ursache aber nicht behoben ist wird es neue Symptome geben, er fängt beispielsweise an zu rauchen. Und so geht es immer weiter. Das gleiche gilt für die Hundeerziehung: Ein Buch über „sitz“ und „platz“, usw. halte ich nur dann für sinnvoll, wenn ich weiß, warum diese Trainingsmethoden Erfolg haben. Wenn ich z.B weiß, dass ein Hund nur eine sofortige Belohnung versteht. Wer die Sprache der hunde nicht versteht, wird sich 100 Bücher kaufen von „wie wird mein Hund stubenrein“ über „was muss ich machen damit hasso nicht beißt“ bis zu „wie pfiffi in 3 tagen leinenführig wird“. Viel einfacher wäre es dann doch sich mit dem Verhalten von Hunden untereinander zu befassen und sich diese Dinge selber herleiten zu können. Eben zu verstehen „warum tut mein Hund was er tut?“ (= warum esse ich so viel?)
Ich würde deshalb mich zuerst mit der Kommunikation von Wölfen untereinander beschäftigen (z.B Bloch) und mir dann später evt. ein Buch von Rütter kaufen, der dort Tips gibt wie man bestimmte Dinge üben kann. Wenn ich dann da für mich eine Übereinstimmung sehe und verstehe warum der Hund diese Übung verstehen kann würde ich sie ausprobieren und gucken was passiert.

Zu einer guten Erziehung gehören für mich also folgende Dinge:

1. Ziele setzen:
Was will ich mit dem Hund erreichen? Soll er nur ein alltagstauglicher Familienhund werden der mit den kindern spielt, soll er einen schlitten ziehen oder soll er als Blindenführhund arbeiten?


1.1 es beginnt also schon mit der Auswahl des richtigen Hundes

- Ein Rehpinscher eignet sich i.d.R nicht so sehr für eine Schutzhundeausbildung#
- Wieviel Geduld habe ich? (es gibt Rassen die bestimmte Dinge zügiger lernen als andere), usw.
- Erwachsener Hund oder Welpe
- zurückhaltender, sensibler hund braucht eine andere Erziehung als der Clown des Rudels

1.2 Aktuelle Erkenntnisse mit einbeziehen:

- Die Theorie von dem Hund als Untertan der Menschen ist längst überholt und hat meiner
Meinung nach auch nichts mehr in Erziehungsmethoden verloren. Da wir ja nun wissen dass
Wölfe in einem Familienverband leben sollte für mich auch eine gute Erziehung darauf abzielen
Der Hund sollte mit seinen Menschen zusammen leben und nicht als ihr Untertan dienen.
à ich denke in der Zielsetzung ( nicht in der Wahl der Erziehungsmethoden!!!!) sollte man ihn
ähnlich behandeln wie seine Kinder. Als Ziel sollte hier vorallem gelten, dass er nicht über tische
und Bänke geht, nicht fremde Häuserwände anpinkelt und keinem in den fuß beißt. Dass er
im Restaurant ruhig neben einem liegt und nicht eigenständig plötzlich über die Straße läuft.
(Bevor jetzt hier wieder laute stimmen kommen: Ich meine damit nicht dass man sie behandeln
Soll wie Menschen, darauf komme ich auch später noch. Ich meine lediglich, dass ich beim Kind
Wie beim Hund finde, dass gewisse Grundregeln gelten sollten). Wie viel weiter man dann in
der Erziehung geht hängt dann eben von den individuellen Zielen ab.

1.3 Mögliche Abweichungen vom Ziel mit einplanen:

- jeder Hund ist anders. Man kann nicht alles zu 100% planen weil man nicht weiß wie schnell der
Eigene Hund lernen wird.
- Manche Dinge kann man nicht erzwingen. Man muss sich darauf einstellen dass evt. einige ziele
Nicht erreicht werden können, weil sich der Hund vielleicht nicht für alles eignet. Statt den
Hund dann dafür später zu bestrafen sollte man sich Gedanken machen ob man nicht selber
Die Schuld daran trägt, indem man z.B falsch gewählt hat.
à wie auch wir Menschen hat jedes Individuum ein anderes Potential, über das hinaus kann
der Hund (und auch der Mensch) nichts leisten. Eine gute Erziehung erkennt für mich diese
Individuellen Grenzen und formt dann dementsprechend die Ziele um.

1.4 Ziele nicht zu hoch stecken:

- Erfolge motivieren, Misserfolge frustrieren. Also würde ich lieber mehrere kleine Ziele setzen
als ein großes.
- genügend Zeit einplanen. Hier sollte wie bei den Diäten gelten :“ es geht nicht darum möglichst
Schnell möglichst viel zu schaffen, sondern möglichst nachhaltig und ohne Verlust der
Lebensqualität (das gilt für Hund und Halter)


2. Mit dem Hund eine Sprache sprechen:

Meiner Meinung nach ist das der mit Abstand wichtigste Punkt überhaupt und hier beginnt dann auch der Unterscheid zur Kindererziehung. Die Kinder werden später so kommunizieren wie wir es tun, der Hund nicht! Für mich gilt:

„ Wer seinen Hund nicht versteht, der kann ihn auch nicht artgerecht erziehen!“

Wenn der Hund geboren wird, kann er mit seinen Artgenossen kommunizieren, nicht aber mit uns Menschen. Auch wenn Hunde im laufe der Domestikation schon mehr und mehr lernen den Menschen zu lesen sehe ich es als unsere Aufgabe uns dem Hund gegenüber so zu verhalten dass er verstehen kann was wir von ihm wollen. Wir halten uns für die intelligenteren, also sollte es unsere Aufgabe sein dafür zu sorgen die Kommunikation zu erleichtern. Dazu finde ich folgende Sachen wichtig:

1. Wir müssen verstehen, dass der Hund eine andere Sprache spricht:

- Bsp: Wir schimpfen mit dem Hund und dieser schaut weg. Statt ihn wie wir es bei unseren
Kindern tun dazu aufzufordern uns gefälligst anzugucken, wäre es hier wohl eher angesagt
dieses Beschwichtigungssignal als Entschuldigung zu werten und ruhe zu geben.
- das „trösten“ bei Angst vor z.B Silvesterknallern versteht der Hund als Bestätigung

2. Wir müssen ihre Sprache lernen und sie sprechen:

- Bsp.: Wenn wir den Hund rufen und er kommt sollten wir statt stocksteif da zu stehen und
vielleicht besser hinhocken und ihn mit offenen Armen empfangen
- wir müssen sofort belohnen oder auch bestrafen
- es sollten artgerechte Methoden gewählt werden, die der Hund auch versteht, wie z.B der
Schnauzgriff als Sanktion anstatt das Stromhalsband.
à wir sollten uns bemühen mit dem Hund so zu kommunizieren wie er es mit Artgenossen tut
Und lob und Sanktion immer so wählen, dass es der Hund auch verstehen kann.

3. Konsequenz

- leider wird mit Konsequenz irgendwie immer etwas negatives verbunden. Dabei denke
ich, dass grade das der Schlüssel zum Erfolg ist. Wie soll der Hund verstehen was „Platz“ heißt
wenn er dabei einmal 20 cm überm Boden hängt und beim nächsten mal muss er platt wie eine
Flunder am Boden kleben?


Nur wenn wir diese Punkte beachten hat der Hund die Chance auch unsere Sprache zu verstehen. Erst wenn wir ihm also in seiner Sprache erklärt haben, dass hinsetzen in unserer Sprache „sitz“ bedeutet können wir erwarten, dass er es auch macht.



3. Welche Methode?:

Die Frage nach der richtigen Trainingsmethode ist für mich also nur einer von mehreren Faktoren. Hat man also verstanden wie der Hund tickt kann man sich Anregungen holen, wie man ihm unter diesen Gesichtspunkten etwas beibringen kann. Hierbei denke ich dass jede der unten genannten Methoden in einem gewissen maß seine Berechtigung hat, da auf verschiedene Situationen unterschiedlich reagiert werden muss. Wichtig ist bei allen aber das timing:


1. Positive Verstärkung:

„ Der Hund tut etwas was mir gefällt und ich belohne es“
- meiner Meinung nach sollte das die Hauptmethode sein. Hier gibt es 100 Möglichkeiten. Ich denke ob man hier wartet bis der hund sich von alleine zufällig setzt und dann schnell „sitz“ sagt, oder ob man ihn mit einem Leckerchen in die „Sitz“ Position führt ist hier relativ egal. Auch ob man mit Clicker, Leckerchen, Streicheln, Spielzeug, … belohnt ist individuell, je nachdem was Mensch und Hund gefällt.

2. Negative Verstärkung:

„einen Negativer Reiz wird weggenommen, wenn der Hund das gewünschte verhalten zeigt“
- hier fällt mir jetzt so spontan nichts ein.


3. Positive Bestrafung:

„ Als Konsequenz auf ein Fehlverhalten folgt ein unangenehmer Reiz“
- dieser Begriff ist oft negativ belegt, teilweise aber auch zu unrecht. Für mich ist hier entscheidend was der unangenehme Reiz ist. Auch hier gilt für mich wieder artgercht ist wichtig!
Die positive verstärkung halte ich für das erste mittel der wahl, aber immer ist das nunmal nicht möglich. Wenn der Hund grade den teuren Perser zerpflückt kann man nicht warten bis er damit aufhört und ihn dann für das aufhöhren loben. Hier muss man dem Hund zeigen, dass sein Verhalten unerwünscht ist. Ich persönlich empfinde als artgerecht z.B ein „Nein“ ,den Schnauzgriff, ggf. auch das abdrängen des Hundes, usw.!
Als nicht artgerecht empfinde ich die sog. Starkzwangmittel wie Stromhalsbänder, Stachelhalsbänder, usw.! Diese Erziehungsmethoden dienen für meine Begriffe nur der Faulheit oder auch der Verzweiflung des Halters und zeigen, dass sich einige menschen überhaupt keine gedanken über das wohlbefinden ihres hundes machen . Es mag schneller gehen den Hund mit Strom zum „sitz“ zu bewegen, es kann aber auch nach hinten losgehen indem der hund dann versucht diesem „negativen“ reiz zu entkommen. Was für ein zusammenleben ist es denn bitte, wenn der hund angst haben muss vor seinem Herrchen/frauchen? Diese Methoden haben für mich nichts mit artgerechter erzihung zutun, weil sie der hund in seinem natürlichen verhalten nicht anwendet und damit auch nicht versteht. Aus der Zeit, in der wir uns Tiere zu Untertanen machen sollten wir längst raus sein.
Wie schon erwähnt, ein Hund ist ein Familienmitglied und meine Kinder würde ich auch nicht mit einem Elektroschocker erziehen (obwohl es auch solche Menschen geben soll).


4. Negative Bestrafung:

„als Konsequenz auf ein fehlverhalten hört ein angenehmer Reiz auf“
- für mich auch eine super Methode unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren. Man muss eben der Situation angepasst reagieren, bei dem Beispiel mit dem Perser wäre auch diese Methode nicht so angesagt.
- hierzu zählt z.B, aufzuhöhren den Hund zu streicheln wenn er einem weh tut oder ihm die Aufmerksamkeit zu entziehen (ignorieren) wenn er unaufhöhrlich bettelt. Aber auch hier sollte man wissen, dass Hunde untereinander nicht nachtragend sind und den Hund dann nicht den ganzen Tag ignorieren.


Wichtig ist für mich also alles in allem eine ganzheitliche Erziehung deren Grundlage immer ein Verständnis des Hundes sein sollte mit dem Ziel den Hund als Familienmitglied Hund in Familie und Gesellschaft zu integrieren. Die Methoden die dort hinführen sind solange sie artgerecht sind und der Hund sie versteht doch eigentlich egal.
Katrin jest offline   Reply With Quote